Eine Problematik, mit der ich mich des Öfteren bereits in
Deutschland auseinander setzten musste, ist mein entzündeter Zeh. Der linke
große Zeh, besitzt die Tendenz, den Nagel, an der Außenseite, in das umliegende
Fleisch wachsen zu lassen. Wenn das geschieht, dann ist das mit Schmerzen und
schlechter Laune verbunden. So verfolgte mich dieses Schicksal nun auch in
China und ich lief ca. zwei Wochen mit dem entzündeten Zeh herum, bis ich den
Entschluss fasste, dass es nicht mehr ging, da die Schmerzen nahezu
unerträglich wurden.
Der Plan sah wie folgt aus, ich kontaktierte einen
chinesischen Freund, der ebenfalls Lehrer an einer anderen Schule ist, mich zum
Krankenhaus zu begleiten und mir bei eventuellen Sprachschwierigkeiten zur
Seite stehen zu können. Sein Name ist Eric und er kann im Vergleich zu den
anderen Chinesen sehr flüssig Englisch sprechen und verstehen. Eine Seltenheit
in China. Legendlich die Highschool Students, im Alter von 17-19 Jahren, sind in
der Lage sich auf Englisch zu verständigen.
Wir verabredeten uns schließlich am Montag um 2:00 pm vor
dem Krankenhaus (地区医院 - Name des Krankenhauses). Dort angekommen begaben wir
uns zu den Schaltern, wo man von Frauen hinter einer Glasscheibe empfangen
wird. Ich habe eine Krankenhauskarte mit der man eincheckt. Auf der sind alle
Informationen über Wohnort etc. und vorherige Besuche gespeichert. Die Frau am
Schalter bat uns in den ersten Stock zu gehen, wo ich nach einer ca. 1
Stündigen Wartezeit einen Arzt vor mir hatte, der einen Blick auf meinen Zeh
warf und nur 手术 -
Shǒushù sagte, was Chirurgie bedeutet.
So begaben wir beiden uns auf den Weg in das Nordgebäude, in
welchem sich auch unter anderem die Chirurgie befand. Im 7. Stock angekommen,
öffneten sich die Fahrstuhltüren und das erste was ich erblicke war Cancer
Center - Krebszentrum, wo ich erst einmal kurz stutzig war, dann aber das
Schild für Chirurgie erblickte. Wir gingen in einen Raum mit der Aufschrift 医生办公室 -
Yīshēng bàngōngshì,was
Ärztezimmer bedeutet. Dort fanden wir sechs Doktoren vor, die an ihren
Schreibtischen saßen und irgendwelchen Papierkram erledigten. Einer der sechs
wendet sich dann mir zu und betrachtete den Zeh und kam schließlich zu dem
Entschluss, dass man den halben Zehennagel wegnehmen müsse, damit die Entzündung
unter Kontrolle gebracht werden kann.
Wenige Minuten später befand ich
mich in einem Raum, der zum Verbandswechsel und kleineren Chirurgischen
Maßnahmen verwendet wurde. Es standen nun drei Krankenschwestern, der Arzt und
Eric in dem Raum und verfolgten die Handlungen des Arztes.
Als erstes wurde mein Fuß und
der untere Teil meines Schien- und Wadenbeines desinfiziert mit einer rötlichen
Flüssigkeit. Dieser Schritt wurde äußert gründlich und bedacht ausgeführt. Als
nächstes war die örtliche Betäubung an der Reihe, welche via einer Spritze
oberhalb des Zehengelenkes in den Körper gebracht wurde. Einen Stich direkt von
oben, einen links und einen rechts an der Seite. Dieser Schritt ist bereits
sehr schmerzhaft, aber nun sollte der Zeh eigentlich Gefühlsfrei sein, dem war aber nicht
so.
Der Arzt setzte mit einer Zange
an der linken Seite des Zehennagels an und begann den unteren Teil der zwei
Greifbacken unter den Nagel zu schieben, was mit extrem Schmerzen verbunden
war. Meine mehrfachen Bemerkungen, dass er doch ein paar Minuten warten solle,
bis die Betäubung wirken könne, wurden ignoriert und so konnte ich ihn nur mit
Chinesischen Stopprufen und Schmerzbekundungen stoppen. Er ignorierte den
Faktor der Zeit, den ich angebracht hatte und sagte, du brauchst eine zweite
Dosis von dem Schmerzmittel, da ich resistenter als andere sei.
So zog er eine weitere Ampulle
in die Spritze rein und stach dieses Mal direkt in die betroffene Stelle. Er
stach die Nadel frontal in das Nagelbett und schob sie bis fast zum Anschlag
weiter rein. Ich kann kaum beschreiben was für Schmerzen das waren. Im
Anschluss suchte er sich weitere Stellen, wo er den Rest verabreichen konnte
und griff dann erneut zu der Zange.
Ich wurde mehr und mehr sauer
und erklärte ihm bemüht auf Chinesisch, dass er warten müsse, bis die Wirkung
eintrete und das Mittel seinen Job erledigen würde. Dem Arzt war es aber egal
und er setzte erneut an und ging dieses Mal weitaus brutaler vor.
Er schob mit aller Kraft die
Zange unter den Nagel, begleitet von Zahlreichen Schreien von mir, die als
Ventil für die Schmerzen dienen sollten.
Nach den längsten 20 Sekunden meines Lebens, hatte er das Ende des
Nagels erreicht und brach ihn zur Mitte hoch, sodass die eingewachsene Stelle
befreit wurde. Mich durchzuckte ein höllischer Schmerz und es setzte
Benommenheit bei mir ein. Ich sah überall nur Blut und hielt mein Bein zitternd
fest.
Ihr habt richtig gehört, ich
habe bei diesem Eingriff gesessen und habe alles mit angesehen. Es hätte nicht
viel gefehlt und ich wäre Ohnmächtig vor Schmerzen geworden. Endlich hatte der
Arzt den Nagel mit der Zange hochgebogen und konnte ihn dann mit einer Schere,
von der übrig gebliebenen Hälfte des Nagels, abtrennen. In diesem Moment war
mir so verschwommen vor Augen, dass ich mich kurz nach hinten legte. Der Dr.
entfernte die Reste des eingewachsenen Nagels aus der Seitenwand der Haut und
sagte dann, wir haben es geschafft!
Ich richtete mich erneut auf und
betrachtete sein Werk. Mein Zeh war überströmt von Blut, dass es nur so lief.
Die Schwestern eilten, mit Tupfern bewaffnet, herbei und versuchten kurzweilig
eine Sicht auf die Stelle zu ermöglichen, sodass sich der Arzt vergewissern
konnte, dass alles entfernt wurde.
Final wurde die Wunde
desinfiziert und mit einem Druckverband verbunden, um die Blutung zu stoppen. Ich
bekam noch ein Antibiotikum, um eine Infektion zu verhindern und konnte nach
drei Stunden Krankenhaus, leicht zitternd, das Gebäude mit Eric verlassen. Er
wirkte aufgrund der beobachteten Operation mitgenommen und sagte mir andauernd,
wie tapfer ich doch gewesen sei.
Mein Trost war es, dass die
Betäubung von Minute zu Minute ihre Aufgabe erledigte und mich von den
Schmerzen befreite.
Ein weiterer Punkt ist die
Privatsphäre, denn es kann gut passieren, das einfach irgendjemand den Raum
betritt und mal schaut, was der Arzt gerade macht und ihn fragt, wann er denn
dran sei. Das No Go in Deutschland einen besetzten Behandlungsraum zu betreten,
gibt es in China nicht. Als ich verbunden wurde, war simultan ein anderer
Patient neben mir und ihm wurden die Fäden in seinem Fuß gezogen. Man muss jeden
Moment damit rechnen, dass ein Fremder den Raum betreten kann, in dem du dich
gerade befindest und dich so behandelt, als wärest du nicht da.
Meiner Meinung nach ist der
Beruf des Arztes in China noch ein Stück anstrengender, als es in Deutschland
der Fall ist. Fehlende Privatsphäre und Patienten die einfach dein Büro
betreten, wenn es ihnen nicht mehr passt, ist schon sehr schwierig zu handeln.
Der Zeh wird von Tag zu Tag
besser und ich denke in ein paar Tagen, wird er wieder komplett belastbar sein.
Ich hoffe, ich konnte euch auf eine kurze Reise nach China mitnehmen und euch
darlegen, wie es hier so Alltäglich zu sich geht.
Ein Arztbesuch dieser Art ist in
Deutschland schon keine leichtes Unterfangen, nun stellt euch das ganze Szenario
komplett auf Chinesisch vor, da selbst die Ärzte kein Wort Englisch beherrschen.