Montag, 10. Dezember 2012

China Impressions 4 - 生活 - Leben

Ich habe diese Zeilen bereits an meine Förderer geschickt, möchte sie aber auch mit euch allen teilen. Ich werde in den nächsten zwei Wochen ein Video vom Alltag erstellen und eine Wohnungsführung auf Chinesisch, um euch einen Einblick zu geben, wie es sich anhört, wenn ich Mandarin spreche.

Um euch einen kleinen Vorgeschmack auf die Chinesische Kultur und den Alltag zu geben, werde ich jetzt ein paar Dinge nennen, die ich jeden Tag zu Gesicht bekomme.

Jeder Tag wird von den Chinesen mit Sport begonnen, sei es Yoga, Kung Fu, Tanzen, Badminton, Basketball, Volleyball oder die allmorgendlichen Dehnübungen. Es gibt niemanden, der vor der Arbeit keinen Sport treibt. Die älteren Herrschaften, die nicht mehr so fit sind, dehnen sich entweder oder machen langsame Kung Fu Bewegungsabläufe und spielen dann chinesisches Schach, oder auf ihren Musikinstrumenten. Eine weitere interessante Begegnung sind die Rückwärts laufenden Chinesen. Anfangs waren wir sehr verwirrt, warum manche Leuten dieses taten. Wir fragten unsere Englischkollegen und diese erklärten uns, das man es nach dem Essen praktiziert, damit die Verdauung besser funktioniert und man keine Magenbeschwerden bekommt. Ein weiterer Grund kann die Ärztliche Verschreibung von allmorgendlichem Rückwärtslaufen sein. Manche Mediziner halten es hier anscheinend für gesund, wenn man bei bestimmten Beschwerden seinen Tag andersherum beginnt. Für mich immer wieder ein lustiger Anblick. Ich musste mir einen Spaß daraus machen, indem ich eines Morgens, Rückwärts das Büro der Englischlehrer betrat, wo ich mit einem grölenden Beifall begrüßt wurde. Meine Kollegen fanden diesen Anblick des Ausländischen Lehrers, der die chinesischen Riten übernahm brüllend komisch.

Der weitere Tagesablauf der Chinesen sieht wie folgt aus. Die Leute, die arbeiten müssen, gehen ihrem Job nach und machen in den Mittagspausen eine schnelle Essensauszeit und begeben sich dann zu Tischtennismatches, oder praktizieren erneut ihr Basketballspiel.

Die älteren Menschen sieht man den ganzen Tag auf den Bürgersteigen rumsitzen und verschiedene Spiele spielen, oder sie beobachten auf teilweise Gebäude, oder andere Sachen stundenlang. Das typische Merkmal für einen alten Herren in China ist die sehr große Brille und der kleine Hocker, den er überall mit hin nimmt. Die ganz traditionellen Chinesen haben dann meist noch einen langen Kinnbart.

Die Kinder und Jugendlichen welche zu Schule gehen müssen, nutzen jede freie Stunde, um ein Nickerchen zu machen. Die Junior Middleschool Students haben noch eine einigermaßen humane Kindheit. Sie beginnen ihren Tag um 7:00 Uhr morgens in der Schule bis 12:50, haben dann bis 14:00 Uhr Mittagspause und müssen dann noch bis 18:00 Uhr die Schulbank drücken. Zu Hause, müssen sie dann noch Hausaufgaben, die jeden Tag mindestens zwei bis drei Stunden in Anspruch nehmen, machen.

Für deutsche Verhältnisse undenkbar. Ich habe nie in meiner Schulzeit eine Woche gehabt, in der ich jeden Tag nach der Schule noch zwei bis drei Stunden in Hausaufgabenbearbeitung investieren musste. Und das, obwohl wir viel weniger Zeit in der Schule verbringen, als die Chinesischen Kids.

Die Senior Middleschool Students haben hingegen keinerlei Freizeit mehr. Sie sind zwischen 17-20 Jahre alt und haben die gleichen Schulzeiten, wie die Juniors, mit einer Ausnahme, und zwar haben sie nicht bis 18:00 Uhr, sondern bis 22:10 Unterricht. An den Wochenenden haben sie außerdem am Samstag bis zur Mittagspause Schule und am Sonntag Evening Lessons, das heißt von 17-22 Uhr. Mit den ganzen Hausaufgaben die sie dazu haben, ist eine Kindheit nicht mehr gewährleistet, deshalb kann sich jedes deutsche Kind freuen, dass es eine so erfüllte Kindheit haben kann/konnte.

Um sich dann schließlich die Fahrkarte zur Universität zu verdienen, müssen die Kinder eine bestimmte Punktzahl im letzten Jahr in ihren Examen, erreichen. Ich habe ca. 680 Schüler unter meiner Fittiche und kann bereits jetzt sehen, dass vielleicht 40 davon, den Sprung zur Universität schaffen werden. Die Anderen werden aufgrund sehr starker Defizite im Bereich Englisch, oder dem allgemein fehlenden Lernfortschritt, es nicht schaffen. Wer es nicht in den Jahren vor der Universität schafft, Englisch zu beherrschen hat verloren und kann sich nach einem niedrigeren Job umsehen, oder gegebenenfalls in den Betrieb der Eltern einsteigen.

Ich habe auch bei vielen Schüler genau das Gefühl, dass sie genau wissen, dass sie es nicht schaffen werden und sich schon mit dem Gedanken abgefunden haben, bei ihren Eltern zu arbeiten und deswegen bereits jetzt resignieren. Traurig zu sehen, aber es ist leider die Realität und viel dagegen machen kann ich leider nicht und diese Ohnmacht bedrückt mich auch.

Das Stichwort ´´Ohnmacht´´ ist eine gute Überleitung zu dem letzten Thema dieses Artikels. Bestrafungen... Schüler, die ungehörig im Unterricht waren, ihre Hausaufgaben nicht ordentlich erledigten, oder einfach den Lehrer durch irgendeine Tätigkeit verärgert haben, werden bestraft. Zuerst werden die Schüler vor die Klasse geholt und dort systematisch fertig gemacht. Sein Gesicht zu verlieren, ist das schlimmste, was einem Chinesen passieren kann. Dieses kann durch verschiedene Sachen hervorgerufen werden, die häufigste ist jedoch die Scham und die öffentliche Bloßstellung. Der Lehrer macht ihn also vor der Klasse nieder und alle lachen denjenigen aus, was die Hölle sein muss.

Wenn die Vergehen schlimmer werden, nimmt die Lehrkraft das Heft des Schüler und gibt ihm damit drei Backpfeifen, nachdem er seine Standpauke erhalten hat. Die höchste Stufe, welche ich bis jetzt erlebt habe ist, dass der Lehrer mit voller Kraft einem Schüler mit der flachen Hand eine Backpfeife gegeben hat und ihn dann nieder machte. In diesem Moment war ich kurz davor einzuschreiten. Bei einer zweiten wäre ich auf jeden Fall dazwischen gegangen, ob Kultur hin oder her, dass kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Der Wind weht ziemlich anders, als in Deutschland, wie ihr seht, aber dennoch ist es eine wunderschöne Zeit hier.

圣诞快乐!- Eine frohe Weihnachtszeit!